Eva Zahn & Volker A. Zahn
Drehbuchautoren



Aktuelles


Anlässlich der bevorstehenden TV-Premiere unseres neuen Köln-Tatorts „Abbruchkante“ (am 26. März im Ersten) haben wir für die Aachener Zeitung mit dem Medienjournalisten Tilmann P. Gangloff über den Film und die Situation auf dem deutschen Fernsehmarkt gesprochen:

Gangloff: Ein WDR-„Tatort“, der im rheinischen Braunkohlerevier spielt: War das nicht schon lange überfällig?

Eva Zahn: Um ehrlich zu sein: Tatsächlich ist unser Krimi nicht der erste dieser Art. In „Schürfwunden“ aus dem Jahr 2006 haben Ballauf und Schenk schon einmal im rheinischen Tagebaugebiet ermittelt, aber damals ging es um eine komplett andere Geschichte. 

Volker A. Zahn: Davon abgesehen: Mit Blick auf die Vehemenz der klimapolitischen Diskussionen der letzten Zeit – Stichwort: Lützerath – war ein Film wie „Abbruchkante“ in der Tat überfällig; erst recht für uns als Autorenpaar, das in Köln lebt und gerne auch gesellschaftspolitisch relevante Geschichten erzählt. 

Wie haben Sie das Drehbuch entwickelt?

EZ: Wir kommen beide aus dem Journalismus und recherchieren immer intensiv, bevor wir schreiben: In diesem Fall waren wir mehrfach in der Gegend rund um den Tagebau und haben mit den Menschen vor Ort gesprochen. 

War es schwierig, den WDR von dem Thema zu überzeugen? 

VAZ: Nein. Der Köln-Tatort steht ja schließlich für Themen, die die Menschen bewegen. 

Gab es die Bedingung, dass Sie RWE nicht beim Namen nennen dürfen? Im Film ist immer nur von dem „Konzern“ die Rede.

EZ: Nein, die Nennung von Produkt- und Firmennamen ist in öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmen und Serien eher unüblich. Außerdem erzählt der Film auch ganz generell von den Folgen einer profitgetriebenen Politik gegen Mensch und Natur, ein Problem, das nicht nur das rheinische Revier betrifft.

Neben der Krimihandlung lebt der Film vor allem von den einzelnen Schicksalen: ein altes Ehepaar, das sich umbringen will, ein Vater, dessen Tochter im Rahmen der Proteste tödlich verunglückt ist. Sind diese Geschichten authentisch?

VAZ: Sagen wir mal so: Wir sind bei unseren Gesprächen auf einige Schicksals- und Konfliktlinien gestoßen, die wir fiktionalisiert haben. 

EZ: Besonders beeindruckt haben uns dabei die traurigen Geschichten älterer Menschen, die aus dem Dorf, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht haben, vertrieben wurden. In diesem Zusammenhang war auch Suizid ein Thema. 

VAZ: Auch für den Arzt, der in unserem Krimi zum Mordopfer wird, gibt es Vorbilder. RWE hat in den Dörfern, die umgesiedelt wurden, gezielt nach Menschen mit hohem Ansehen gesucht. Honoratioren oder lokale Promis, gut vernetzte Multiplikatoren, die in der Bürgerschaft Überzeugungsarbeit im Sinne einer reibungslosen Umsiedlung leisten sollten.

EZ: Die Umsiedlung bedeutete ja immer auch einen fundamentalen Lebensbruch. Da wurden Menschen genötigt, essentielle Entscheidungen für sich und ihre Familien zu treffen: Beuge ich mich, oder leiste ich Widerstand? Kann ich es meinen betagten Eltern noch zumuten, am Lebensabend verpflanzt zu werden? Will ich verantworten, dass meine Kinder in einem verlassenen Dorf ohne Infrastruktur aufwachsen? Über solche Fragen sind Ehen und Freundschaften zerbrochen, viele Familien haben sich entzweit. Im Verlauf unserer Gespräche haben wir erkannt, dass hier nicht nur die Landschaft rücksichtslos ausgebeutet wurde. Viele Menschen sind aufgrund eines wirtschaftlich motivierten und politisch besiegelten Schicksals in einen permanenten psychischen Ausnahmezustand versetzt worden. Das hat teilweise zu enormen seelischen Verwüstungen geführt. 

Über dem Film liegt eine Stimmung, die an die David Lynchs klassische Serie „Twin Peaks“ erinnert. War das Ihre Idee?

VAZ: Ja, und zum Glück hatten wir mit Regisseur Torsten C. Fischer einen tollen Kreativpartner, der unsere Vision geteilt und unsere Geschichte großartig in Szene gesetzt hat. Als wir zum ersten Mal in die Tagebaugegend gefahren sind, hat uns die Atmosphäre umgehauen: Wunderbare Vierkanthöfe, tolle historische Wohnhäuser, prächtige Kirchen, wunderschöne Gärten: dem Untergang geweiht. Ganze Wohnstraßen mit Eigenheim-Träumen aus dem letzten Jahrhundert: verrammelt, vergammelt, teilweise demoliert. Dazwischen die wenigen Widerständler, die geblieben sind und versuchen, ein normales Leben in einer nicht normalen Umgebung zu führen. Der Sicherheitsdienst, der mit seinen Pick-ups im Auftrag von RWE durch die Dörfer patrouilliert. In diesen Geisterdörfern herrscht eine Stimmung, wie wir sie bis dahin nur aus Filmen kannten. Es war uns sehr wichtig, diese Atmosphäre zu vermitteln. 

Warum wird auch Max Ballauf von dieser Stimmung erfasst?

EZ: Im Braunkohlerevier und im Schicksal seiner Bewohner spiegelt sich Ballaufs eigenes Lebensgefühl, die Verlorenheit und Orientierungslosigkeit der Menschen dort löst etwas in ihm aus. Anders als Schenk, der in Köln und seiner Familie fest verwurzelt ist, fühlt sich der „Lonesome Wolf“ Ballauf den Menschen im Revier auf seltsame Weise verbunden, vor allem der von der großartigen Barbara Nüsse gespielten Pensionswirtin. 

Inklusive vieler Serienfolgen haben Sie vermutlich weit über hundert Krimis geschrieben. Wie schwierig ist es, sich immer wieder neu zu erfinden?

VAZ: Das ist eine echte Herausforderung, erst recht, wenn man es mit Figuren zu tun hat, die seit mittlerweile über 25 Jahren gemeinsam ermitteln. Trotzdem suchen wir jedes Mal nach Möglichkeiten, um mit den herkömmlichen Erzählmustern zu brechen, und das geht mit einem „Auswärtsspiel“ wie in diesem Fall natürlich besonders gut. 

Bedauern Sie es, dass sich gesellschaftlich relevante Stoffe bei ARD und ZDF fast nur noch als Krimi unterbringen lassen?

EZ: Einerseits ja; es ist mittlerweile sehr schwierig, gesellschaftlich und politisch relevante Themen als Fernsehfilm zu erzählen. Andererseits ist der klassische Themenfilm in seiner vielfach wiederholten und nur begrenzt variierten Machart zu Recht nicht mehr en vogue.

VAZ: Wir leben zwar nicht schlecht von unseren Krimis, aber wie viele Kolleg*innen sehnen wir uns danach, Geschichten jenseits von Mord & Totschlag oder Herzschmerz zu erzählen. Aber das lineare Fernsehen ist nach wie vor von einer erschreckenden Genrearmut geprägt. Andererseits haben wir große kreative Power hierzulande, massenhaft Topleute für Drehbuch, Regie und Produktion, aber dieses Potential wird fürs lineare TV leider nicht angemessen ausgeschöpft.

Was ist mit den Streamingdiensten?

EZ: Sie haben auf jeden Fall neuen Schwung in die hiesige Fernsehlandschaft gebracht; ARD und ZDF haben sich in den letzten Jahren ja zum Glück etwas bewegt. Aber bei Netflix, Amazon und Co. stößt man mit unbequemen oder kontroversen Themen ebenfalls an Grenzen, da geht es dann – aus rein kommerziellen Gründen und mit Blick auf die internationalen Märkte – darum, was man dem Publikum weltanschaulich oder moralisch zumuten kann.

VAZ: Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum wir mit unserer satirischen Serie „Brüder im Nebel“, die wir mit der Produktionsfirma Zeitsprung Pictures entwickelt haben, bei den Streamern nicht landen konnten. Zu dieser Geschichte haben uns die bizarren Vorgänge im Kölner Erzbistum rund um die Kardinäle Woelki und Meisner im Umgang mit Missbrauchstätern inspiriert. Und mit der Religion ist das halt immer so eine Sache…

Haben Sie Grund zur Hoffnung, dass sich die Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit ändern werden?

VAZ: Ja, wir sehen schon jetzt positive Ansätze, vor allem in den Produktionen für die Mediatheken, da wird der Genrefächer mit einer Menge vielversprechender Formate breiter aufgemacht. Wir haben für Westside Film und den WDR in Zusammenarbeit mit der Kripo Köln eine Serie unter dem Arbeitstitel „EG Hoffnung“ entwickelt, es geht darin um sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Im Mittelpunkt stehen Ermittler*innen, die sich tagtäglich durch beschlagnahmtes Datenmaterial von Missbrauchstätern kämpfen, um Kinder zu befreien. Eine echte Heldengeschichte also, aber alles andere als ein Mainstream-Krimi. Wir arbeiten seit über zwei Jahren an diesem Herzensprojekt, und glauben, dass es sehr gut in die ARD-Mediathek passen wird. Zumal uns der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung bereits signalisiert hat, dass er die Serie gerne mit einer groß angelegten Kampagne begleiten würde. 

Originaltext abrufbar unter: https://www.aachener-zeitung.de/kultur/koelner-tatort-vom-rand-des-tagebaus-garzweiler_aid-86695269

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Am 26 März strahlt das Erste um 20, 15 Uhr den neuesten TATORT von Eva Zahn und Volker A. Zahn aus: „Abbruchkante“ ist – nach „Hubertys Rache“ – der zweite TATORT, den das Ehepaar für die Kölner Ermittler geschrieben haben. Der Film entstand auf der Grundlage vieler Besuche und Gespräche im rheinischen Braunkohlerevier und handelt von den tiefen Verwundungen und Verletzungen, die eine rücksichtslose Politik gegen Mensch und Natur hinterlässt.

Torsten C. Fischer inszenierte „Abbruchkante“ an Originalschauplätzen, die Bildgestaltung oblag Theo Bierkens, für die Produktion zeichnete Jan Kruse (Bavaria Film) verantwortlich, Götz Bolten (WDR) betreute das Projekt redaktionell.

Neben Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Juliane Köhler, Tinka Fürst, Joe Bausch und Roland Riebeling standen diesmal u. a. Barbara Nüsse, Lou Strenger, Peter Franke, Leonard Kunz, Jörn Hentschel, Daniela Wutte, Uta Maria Schütze, Leopold von Verschuer und Ferhat Kaleli vor der Kamera

Und darum geht’s: Die (fiktive) Ortschaft Bützenich, am Rande von Köln gelegen, sollte eigentlich dem Tagebau weichen. Als bekannt wird, dass das alte Dorf doch nicht abgebaggert wird, wünschen sich viele Bürger*innen die alte Dorfgemeinschaft zurück. Aber die Zeit lässt sich nicht einfach zurückdrehen, und so entstehen Wut, Enttäuschung und Trauer. In diese zerrissene Gemeinschaft geraten die Hauptkommissare Max Ballauf und Freddy Schenk, als sie nach Bützenich gerufen werden: Dr. Christian Franzen, der Arzt des Ortes, ist in einem verlassenen Haus erschossen aufgefunden worden. Nach und nach stellt sich heraus, dass eigentlich jeder in der alten Dorfgemeinschaft ein Motiv hatte, den Allgemeinmediziner zu ermorden…

Über ihre Arbeit zum Drehbuch für den TATORT haben sich Eva Zahn und Volker A. Zahn in einem Interview mit dem WDR geäußert:

Welchen Einfluss hat das Leben an der „Abbruchkante“ für die Menschen in Alt- und Neu-Bützenich?

Volker A. Zahn: Unser ‚Tatort‘ erzählt von Menschen, die seit vielen Jahren im Ausnahmezustand leben. So gnadenlos wie sich die Schaufelbagger durch die Landschaft fressen, so nachhaltig haben Zukunftsängste und der drohende Heimatverlust auch Verwüstungen in den Seelen vieler Bewohner:innen von Bützenich hinterlassen. Eine über Generationen gewachsene Dorfstruktur wurde geschleift, Nachbarschaften wurden auseinandergerissen, Familien haben sich entzweit, und Orte, die eng mit persönlichen Erinnerungen verknüpft sind, drohen für immer im großen Baggerloch zu verschwinden. Hinzu kommen zwischenmenschliche Verwerfungen im Zuge der Umsiedlung: Die Spaltung der Dorfgemeinschaft in Widerständler und Mitmacher, der Kampf um die besten Bauplätze im neuen Dorf, die Verzweiflung derer, die alles aufgegeben haben und jetzt hilflos realisieren, dass die Bagger das Dorf doch verschonen.

Eva Zahn: In unseren Figuren haben wir versucht, diese psychische und soziale Ausnahmesituation zu spiegeln: Die Tragik des alten Ehepaars, das im neuen unwirtlichen Dorf seinen Lebenswillen verliert, die Erschöpfung derjenigen, die seit Jahren erbitterten Widerstand leisten und sich jetzt resigniert fragen, ob der Preis, den sie bezahlt haben, nicht viel zu hoch war, der findige Arzt und Einflüsterer, der aus dem Heimatverlust ein Geschäft macht, der verlorene junge Mann, der zu exekutieren hilft, was seine Großeltern, die er über alles liebt, in den Abgrund reißt. Kurzum: Wir erleben exemplarisch im fiktiven Bützenich, ob alt oder neu, eine zerrissene Gesellschaft, eine Gemeinschaft, die keine Orientierung mehr hat und – ihrer Wurzeln und Erinnerungsstätten beraubt – so verwirrt in eine ungewisse Zukunft torkelt, als habe sie eine kollektive Alzheimer-Erkrankung befallen.

Alt- und Neu-Bützenich ist ein Schauplatz, an dem jeder jeden kennt. War dieses Setting für diesen Film für Sie von Anfang an gesetzt?

Eva Zahn: Ja, wir sind in den letzten Jahren des Öfteren ins rheinische Braunkohlerevier gefahren, haben vor Ort viele Gespräche geführt und waren jedes Mal von dieser seltsamen Atmosphäre dort fasziniert. Wunderbare Vierkanthöfe, tolle historische Wohnhäuser, prächtige Kirchen, wunderschöne Gärten: dem Untergang geweiht. Ganze Wohnstraßen mit Eigenheim-Träumen aus dem letzten Jahrhundert: verrammelt, vergammelt, teilweise demoliert. Dazu die Camps der Aktivist:innen im Wald, der Sicherheitsdienst, der mit seinen Pick-ups durch die Dörfer brettert. Und auf der anderen Seite diese wunderlichen neuen Dörfer: Ohne durchdachtes Konzept in die Landschaft gewürfelt, sehr Steingarten-affin, eine bizarre architektonische Kraut- und Rüben-Veranstaltung.

Volker A. Zahn: Und das alles im Schatten einer geradezu irrsinnigen Landschafts- und Naturzerstörung. Diese seltsame Mischung aus Alt und Neu, aus Resignation und Rebellion, dieses beinahe postapokalyptische Ambiente, diese mysteriöse Stimmung wie aus einem David Lynch-Film hat uns als Schauplatz für ein Drama schon lange gereizt. Wir wollten von dieser Abbau-Thematik erzählen, ohne einen Themen-‚Tatort‘ zu machen, in dem sich die Protagonist:innen energie- und umweltpolitische Argumente um die Ohren hauen, die man in der Zeitung oder bei Wikipedia nachlesen kann. Uns ging es um die tieferen Verletzungen, die dieser Raubbau an Mensch und Natur anrichtet.

Auch bei „Hubertys Rache – Ihrem ersten Drehbuch für den „Tatort“ aus Köln – spielte der Drehort mit dem Ausflugsschiff auf dem Rhein eine zentrale Rolle. Worin liegt der Reiz, Ballauf und Schenk nicht im gewohnten Großstadt-Setting ermitteln zu lassen?

Volker A. Zahn: Nichts gegen das Großstadt-Setting! Die letzten beiden Kölner ‚Tatorte‘, ‚Spur des Blutes‘ und ‚Schutzmaßnahmen‘, haben die Stadt wunderbar in Szene gesetzt. Aber es macht eben auch Spaß, die Helden aus ihrem angestammten Revier herauszuholen. In Köln sind sie mit den Menschen und Sitten vertraut, die Ermittlung dort ist ein Heimspiel. Im Braunkohlerevier müssen sie erst mal kapieren, wie die Leute ticken und nach welchen Regeln hier gespielt wird. Erzählerisch hat so eine milde ‚Fish out of water‘-Situation immer einen großen Reiz.

Eva Zahn: Wichtig war uns auch, unsere Helden – vor allem Ballauf – in dieser beinahe entrückten Atmosphäre an der Abbruchkante auf möglichst unaufdringliche Weise mit Selbstzweifeln zu konfrontieren. Lost in Bützenich! In unserer Geschichte geht es ja immer auch um die Frage, was die Menschen glücklicher macht: Das Festhalten am Bewährten oder das Abenteuer eines Neustarts. Freddy Schenk ist durch seine Familie geerdet und sieht wenig Änderungsbedarf. Aber in Max Ballauf, dem Lonesome Wolf, löst die Verlorenheit und Orientierungslosigkeit der Menschen in Bützenich etwas aus, er fühlt sich ihnen auf seltsame Weise verbunden. Sein Mut, Neues zu wagen, hält sich allerdings in Grenzen. Oder wie Max Ballauf es sinngemäß ausdrückt: Ich hab Schiss, dass mein bisheriges Leben abgebaggert wird und ich nach Neu-Ballauf ziehen muss!

Mehr Infos zum Film gibt es unter: https://presse.wdr.de/plounge/wdr/programm/2023/03/20230326_uebersicht_tatort_koeln.html

 

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Große Ehrung beim „Festival des deutschen Films“: Ludwigshafener Drehbuchpreis für Eva Zahn und Volker A. Zahn

Beim „Festival des deutschen Film“ wurden Eva Zahn und Volker A. Zahn für ihr bisheriges schriftstellerisches Schaffen mit dem „Ludwigshafener Drehbuchpreis“ ausgezeichnet. Vor 1200 Zuschauern resümierte Festivalleiter Michael Kötz in seiner Laudatio: „Diese Kunstwerke zu schaffen, gelingt ihnen immer wieder mit großer Meisterschaft.“

Im Anschluss an die Preisverleihung wurde auf großer Leinwand die aktuelle Arbeit des Autoren-Duos gezeigt, der Kiel-TATORT „Borowski und die große Wut“ (Produktion: Nordfilm, Redaktion: Sabine Holtgreve) , ein Film, dem laut Kötz ein weiteres „exzellentes Drehbuch“ der Zahns zugrunde liegt. Der Krimi (Regie: Friederike Jehn, Kamera Stan Mende) wird im kommenden Frühjahr im Ersten zu sehen sein und war auf dem „Festival des deutschen Films“ für den Filmkunstpreis in den Kategorien Drehbuch, Regie und Bester Film sowie für den Rheingold-Publikumspreis nominiert.

Im „Mannheimer Morgen“ schreibt Markus Mertens über den Abend der Preisverleihung: „Nicht ohne Stolz betont (Festivalleiter) Kötz, das Festival ehre die Zahns quasi zum perfekten Zeitpunkt. Denn in diesem Jahr blickt das Arbeits- und Ehe- paar nicht nur auf insgesamt 130 verfilmte Bücher zurück – es sind auch genau drei Jahrzehnte, die beide im gemeinsamen Wirken verbinden. (…) Zahllose Leinwandminuten wären ohne sie mitunter frei von der inhaltlichen Tiefe geblieben, für die sie nun in Ludwigshafen geehrt wurden. Keineswegs zufällig kommt dem Festivalchef daher die Anekdote über die Lippen, er habe an einem ohnehin anstrengenden Tag in der Sichtungsphase des Festivals eigentlich nur begrenzt viel Lust verspürt, von der Schwere eines 'Borowski- Tatorts' kosten zu müssen – bis die 90 Minuten von 'Borowski und die große Wut' dann begonnen hätten. Ganz leise und aufmerksam sei er plötzlich geworden, habe gelauscht und sich hineinfallen lassen in die beklemmend offene Geschichte eines Mädchens, das aus der prägen- den Erfahrung des sexuellen Missbrauchs ihre eigenen – tragischen – Konsequenzen zieht. Auch die Zuschauer im Zelt dürfen Konversationen erleben, die dem großen Krimi-Drama subtile, humorvolle Sticheleichen, aber auch den souveränen Weitblick des Ermittlers Borowski offenbaren – und dabei im besten Sinne des Wortes über die Geschichte alleine hinausreichen. Was auch wieder zurück zu Kötz’ Laudatio führt, in der er – selbst fast lyrisch – klarstellt: 'Die Poesie liegt in den Visionen, die man nicht lesen kann.' So gesehen ist die Auszeichnung für die Zahns an diesem Abend fast schon eine visionäre Wertschätzung für ihr Lebenswerk. Auch, wenn sich Fernsehdeutschland wünschen darf, dass es zukünftig noch zahlreiche Bücher des Paares geben wird.“

Zum Abschluss des Festivals wurde Friederike Jehn für die Inszenierung des Kiel-TATORTS überdies mit dem Filmkunstpreis in der Kategorie Beste Regie ausgezeichnet!

Auf den Fotos: Preisträger Eva Zahn und Volker A. Zahn mit Festivalleiter Michael Kötz. Unten: Das Team des Kiel-TATORTS „Borowski und die große Wut“ mit der ausgezeichneten Regisseurin Friederike Jehn, Kameramann Stan Mende, Editorin Isabel Meier, Casterin Marion Haack und Nordfilm-Dramaturg Alfred Holighaus.

Ludwigshafener Drehbuchpreis
Bild © Christoph Meinschäfer Fotografie
Ludwigshafener Drehbuchpreis
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Ludwigshafener Drehbuchpreis
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„Abbruchkante“: Ein neuer Köln-TATORT von Eva Zahn und Volker A. Zahn

Abbruchkante_Team
Bild © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke

Abschluss der Dreharbeiten für einen neuen Köln-TATORT von Eva Zahn und Volker A. Zahn: Ein Mord im rheinischen Braunkohle-Revier führt das Ermittler-Team diesmal vor die Tore der Domstadt. In Bützenich, einem Dorf in der Nähe der Abbruchkante, wird Dr. Christian Franzen ermordet aufgefunden. In das ehemalige und jetzt leerstehende Wohnhaus des Allgemeinmediziners war eingebrochen worden, es gibt den Anfangsverdacht, dass Franzen die Einbrecher auf frischer Tat ertappt hat und deshalb sterben musste. 

In Bützenich sind nur noch wenige Häuser bewohnt, weil der Ort eigentlich für die Kohlegewinnung abgebaggert werden sollte. Seit kurzem steht jedoch fest: Bützenich bleibt bestehen, die Bagger werden das Dorf verschonen. Die meisten Bewohner sind allerdings schon ins unwirtliche Neu-Bützenich gezogen, nur wenige Einheimische haben sich der Umsiedlung verweigert. Ballauf und Schenk finden heraus, dass es rund um den Umzug der Dorfgemeinschaft zu schwerwiegenden Konflikten gekommen ist. Streitigkeiten, in die der vermögende Hausarzt direkt involviert war. Die Ermittlungen konzentrieren sich deshalb immer mehr auf das engere Umfeld des Ermordeten, u. a. auf Ehefrau Betje, den Landwirt Konrad Neukirchen und auf Yannik, der für den Werkschutz des Konzerns arbeitet. Es geht um den Verlust der Heimat und um den schmerzhaften Verlust von Menschen, die man liebt. Max Ballauf und Freddy Schenk ermitteln in einer Atmosphäre aus Trauer und Hass, in einem Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Neuanfang, und sie erfahren dabei hautnah, wie der Raubbau im Revier nicht nur in der Landschaft, sondern auch in der Dorfgemeinschaft, in Familien und in den Seelen der Menschen schwerste Verwüstungen hinterlassen hat…

Der Köln-TATORT „Abbruchkante“ ist eine Produktion der Bavaria Fiction (Jan Kruse) für den WDR (Götz Bolten). Torsten C. Fischer hat unser Buch inzeniert. Nach dem ARD-Knastdrama „Schurkenstück“ ist es unsere zweite Zusammenarbeit mit dem geschätzten Berliner Regisseur. Für die Bildgestaltung zeichnet Theo Bierkens verantwortlich. Neben Klaus J. Behrend, Dietmar Bär, Tinka Fürst, Roland Riebeling, Juliane Köhler und Joe Bausch spielen u. a. Jörn Henschel („Zarah – Wilde Jahre“), Lou Strenger, Barbara Nüsse, Peter Franke, Uta-Maria Schütze, Leonard Kunz und Ferhat Kaleli.

Ein Ausstrahlungstermin steht noch nicht fest.

Auf dem Foto: Klaus J. Behrendt, Jan Kruse, Dietmar Bär, Theo Bierkens, Volker A. Zahn, Götz Bolten, Torsten C. Fischer und Eva Zahn.

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Den von Eva Zahn und Volker A. Zahn geschriebenen Köln-TATORT „Hubertys Rache“ (Regie: Marcus Weiler) haben bei der Erstausstrahlung im Ersten 9, 48 Millionen Menschen gesehen. Mit einem Marktanteil von ausgezeichneten 29,4 Prozent (darunter herausragende 1,79 Millionen 14- bis 49-Jährige) gehört der Film der Zahns zu den drei bislang erfolgreichsten Fernsehkrimis des Jahres. Der Film erzählt von dem gleichsam verzweifelten wie irrwitzigen Versuch des ehemaligen Gymnasiallehrers Daniel Huberty (gespielt von Stephan Kampwirth), seine gesellschaftliche Reputation wiederherzustellen. Huberty, der wegen einer Liason mit einer Schüler zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, kapert einen Ausflugsdampfer und verlangt von der Kölner Polizei, jene Menschen an Bord zu bringen, die er für schuldig hält, seine Existenz zerstört zu haben. An Bord der „Agrippina“ tickt eine Bombe, Ballauf und Schenk versuchen alles, um den gekränkten Ex-Lehrer vom Schlimmsten abzuhalten…

Die Zuschauer-Resonanz in den sozialen Medien war fast duchgehend positiv, und auch die TV-Kritik war sich bis auf wenige Ausnahmen einig: „Dreimal Note 1. Einer der besten Köln-Tatorte der letzten Jahre!“ (Jürgen Mayer, WDR 2 Tatort-Check).  

Der TATORT biete „statt eines herkömmlichen Geiseldramas eine unheimlich interessante psychologische Studie“, schreibt Judith von Sternburg in der „Frankfurter Rundschau“, und bezeichnet „Hubertys Rache“ als „ungewöhnlichen Sonntagabend-Krimi.“ Claudia Fromme beschreibt den Film in der „Süddeutsche Zeitung“ als „spannend bis zum Schluss, Psychodrama und Krimi halten sich die Waage, der Protagonist spielt seine Rolle des gekränkten Narzissten unfassbar gut, die Kommissare sind präsenter als im letzten Fall. Kleine Abzüge in der B-Note, ansonsten: groß.“ „Der Fokus liegt nicht auf Action“, schreibt „TV Spielfilm“, „sondern auf Stimmungen und den ausgefeilten Dialogen des Autorenteams Eva und Volker A. Zahn. Immer wieder kippt die Stimmung, die Anspannung überträgt sich auf den Zuschauer. Stephan Kampwirths Bombenleger ist kein Klischeeterrorist, sondern ein Verzweifelter, der sich in die Katastrophe manövriert. Eine fein austarierte Zitterpartie mit immer neuen Wendungen.“ 

Für TV-Kritiker Tilman P. Gangloff handelt es sich bei „Hubertys Rache“ hingegen um einen „überdurchschnittlich guten Tatort“ und „den fesselndsten Kölner Krimi seit der Folge ‘Franziska‘.“ (von 2014). Ausschlaggebend dafür sei das „richtig gute Drehbuch“ und Episoden-Hauptdarsteller Stephan Kampwirth, der sich „als ausgezeichnete Wahl für den Geiselnehmer erweist“. Joachim Schmitz urteilt in der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Kein Tatort in diesem Jahr war bislang spannender als dieser“, und Simone Sarnow von SWR 3 befindet: „Dieser Tatort lebt von seiner beklemmenden Spannung von Anfang bis Ende und einem grandios eindringlich spielenden Stephan Kampwirth als Huberty.“ Im WDR 2-Tatort-Check vergibt Jürgen Mayer die Höchstwertung und resümiert: „Einer der besten Köln-Tatorte der letzten Jahre!“

Für die Redaktion von tatort-fans.de changiert der TATORT „ zwischen beklemmendem Kammerspiel und packendem Psychothriller mit Nervenkitzelgarantie.“ Das Drehbuch nehme „neben Hubertys Perspektive immer auch die Sichtweise seiner Opfer und der Polizisten ein, deren Job es ist, diesen unberechenbaren Narzissten zur Strecke zu bringen. Dies spiegelt sich auch in der kunstvollen Bildgestaltung wider, die einerseits weite Panoramen von Kölns Wasserseite zeigt, andererseits die bedrückende Enge und Dunkelheit, die scheinbare Ausweglosigkeit in den Szenen der Geiselnahme unter Deck. Und endlich zeigen Ballauf und Schenk einmal, dass sie auch nach über 80 Einsätzen noch voll ins Risiko gehen können. Ein Tatort, der keine Minute langweilt. Unbedingte Einschaltempfehlung!“ Auch Rainer Tittelbach von tittelbach.tv räumt ein, dass es „dem renommierten Autorenduo gelingt, das Thriller-Genre mit dem Themenfilm, wie er Tradition hat im Kölner Tatort, zu versöhnen, ein attraktives, ungewöhnliches Szenario zu schaffen und gleichzeitig die Kommissare  wieder mehr ins Zentrum zu rücken. Sein Fazit: „Die stärksten Momente hat der Film, wenn sich Crime und Drama gegenseitig hochschaukeln. Der Film ist so packend, dass kleine Schwächen im spannenden Strudel von Krimi, Thriller & Drama untergehen. Das Finale ist dramaturgisch & emotional stark.“

„Hubertys Rache“ ist der erste Köln-TATORT von Eva Zahn und Volker A. Zahn. In einem ARD-Interview haben sie sich über die Entstehung des Buchs und die Motive und Abgründe des Täters geäußert:

Sie leben und arbeiten in Köln. Wie hat das Ihre Arbeit zu Ihrem ersten Drehbuch für das Kölner „Tatort“-Team beeinflusst?

Als wir über unseren ersten Köln-„Tatort“ nachdachten, war schnell klar, dass die Stadt eine Hauptrolle im Film spielen muss. Und wenn man Köln zum Strahlen bringen will, kann man sich eigentlich nur für den Rhein und sein ikonografisches Panorama mit Dom, Altstadt und Kranhäusern entscheiden. Auf diese Weise entstand die Idee zu „Hubertys Rache“, einerseits als Hommage an das wunderschöne Köln, andererseits als ein Zeitgeist-Drama über momentan weit verbreitete Opfer- und Empörungsbefindlichkeiten.

Daniel Huberty fühlt sich ungerecht behandelt. Weil er als Lehrer ein Verhältnis mit einer Schülerin hatte, musste er ins Gefängnis. Was bezweckt er damit, jetzt ein Ausflugsschiff auf dem Rhein zu kapern?

Daniel Huberty möchte „Gerechtigkeit“, so wie er sie interpretiert. Gesetze, Moral und die Empfindungen oder Ängste anderer Menschen blendet er dabei völlig aus. Es geht ihm allein um seine Agenda. Er fühlt sich gedemütigt, er ist ein Gekränkter, ein Abgehängter, er hat seine bürgerliche Existenz und seine Reputation verloren, ein Mann, der mit dem Rücken zur Wand steht und sich von Mächten und Menschen erniedrigt fühlt, denen er nur mit einer spektakulären Aktion die Stirn bieten kann. Es geht ihm, wie der Titel sagt, natürlich auch um Rache, es bereitet ihm durchaus Vergnügen, diejenigen, die ihn haben leiden lassen, in Angst und Schrecken zu versetzen. Aber vor allem geht es bei dieser Geiselnahme darum, den Ruf des engagierten und anerkannten Lehrers Daniel Huberty wiederherzustellen, er will die Deutungshoheit über sein Leben zurück, und dafür inszeniert er eine Art Privatprozess mit ihm als Geschädigtem, Staatsanwalt und Richter in einer Person. Die Welt da draußen soll wissen, was ihm diese fünf Menschen angetan haben, er will den Freispruch erzwingen, den ihm die Justiz versagt hat, dafür riskiert er auch, in den Knast zu gehen, das ist es wert! Und wenn er diesen Freispruch nicht bekommt, kann es für ihn nur noch einen letzten Ausweg geben…

Wie nah kommen wir als Zuschauer*innen dem Familienvater Huberty? Hat er nicht vielleicht sogar ein Recht auf Genugtuung?

Wie schön, dass Sie fragen, ob er vielleicht sogar ein Recht auf Genugtuung hat. Denn genau darüber sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer diskutieren. Für uns ist allerdings klar: Daniel Huberty wurde zu Recht verurteilt. Er hatte Sex mit einer minderjährigen Schutzbefohlenen. Was er als Liebe darstellt – und vielleicht sogar als Liebe empfunden hat – war Missbrauch! Das Leben des Mädchens, die jetzt eine junge Frau ist, wurde durch diesen Missbrauch nachhaltig geschädigt. Nach Hubertys Interpretation war die Liebe einvernehmlich, ihn trifft keine Schuld, und deshalb kann er auch die Verantwortung dafür, dass sein Leben in Trümmern liegt, klar adressieren. „Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Nach diesem Leitsatz, den Corona-Leugner und Verschwörungsideologen so gerne skandieren, handelt auch Daniel Huberty. Aber was in einer Diktatur richtig ist, ist in einem Rechtsstaat pure Verblendung. Der ehemalige Lehrer gehört zu jenen Menschen, die es nicht ertragen oder akzeptieren, dass Regeln und Gesetze nicht exakt ihre ganz persönlichen Empfindungen, Bedürfnisse und Ansichten widerspiegeln. Natürlich hat er auch Unrecht erfahren, er wurde – obwohl er seine Strafe abgesessen hat – gedemütigt und gekränkt, aber indem er nun durchdreht und seinen gewalttätigen Irrsinn auch noch moralisch überhöht, entpuppt er sich doch nur als brandgefährliche Ausgabe eines enthemmten Wutbürgers.

Der nächste TATORT von Eva Zahn und Volker A. Zahn wird voraussichtlich im Herbst 2022 ausgestrahlt. Unter dem Titel „Borowski und die große Wut“ schickt das Kölner Ehepaar dann zum dritten Mal das Kieler Ermittlungsteam auf Mörderjagd.

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