Anlässlich der Ausstrahlung des TV-Dramas MOBBING (am 25. Januar 2013 um 20, 15 Uhr auf ARTE) haben die Drehbuchautoren Eva Zahn und Volker A. Zahn der ARD-Pressestelle ein kurzes Interview gegeben (Foto links: Eva und Volker A. Zahn nach der Verleihung des ver.di-Fernsehpreises 2010):
Frage: In keiner Szene zeigt der Film konkrete Mobbingattacken. Es werden dafür eindringlich die Auswirkungen auf den Betroffen und auf dessen Familie, besonders auf die Ehefrau, gezeigt. Welche Möglichkeiten eröffnen sich aus dieser sehr fokussierten Perspektive??
Eva Zahn: Die radikal subjektive Perspektive ist im Roman vorgegeben und hat für uns auch das Besondere dieser Erzählung ausgemacht. Spannend daran ist, dass eine Frau von Mobbing betroffen ist, ohne sich dagegen wehren zu können. Sie muss sich beim allem, was passiert, auf ihren Mann verlassen, sie will helfen, sie gibt Ratschläge, sie tröstet, sie mischt sich ein. Aber je weniger sie ausrichten kann, desto mehr stellt sie ihren Partner und dessen Verhalten infrage, langsam schleicht sich das Gift in ihre Beziehung, da ist plötzlich Misstrauen, Kritik, Wut… die Verhältnisse verschieben sich, am Ende stirbt die Liebe.
Volker A. Zahn: Wenn jemand im Job gemobbt, drangsaliert oder entwürdigt wird, gehen die Folgen weit über die Arbeitswelt hinaus, betroffen sind in den meisten Fälle auch die Familien, im Militär-Jargon würde man von „zivilen Opfern“ sprechen.
Frage: Das Schreiben eines Drehbuchs folgt ganz eigenen Gesetzen. Welche Kompromisse gegenüber dem Roman von Annette Pehnt haben Sie dabei eingehen müssen? Wie „authentisch" ist die Verfilmung?
Volker A. Zahn: Annette Pehnts Roman ist große Literatur. Viel innerer Monolog, die Zeitebenen kunstvoll verschoben, wenig Handlung, kurzum: Gift für jede Film-Dramaturgie. Für uns war dieses wunderbare Buch eine große Herausforderung, und wir haben erst gar nicht versucht, einen Kompromiss zu finden. Wir wollten den Geist und den Kern des Romans unbedingt erhalten, und wir haben nicht einen Moment daran gezweifelt, dass die radikal subjektive Erzählperspektive aufgeweicht werden darf.
Eva Zahn: Natürlich mussten wir die Figur der Antje aktiver gestalten, in der Literatur kann eine Hauptfigur sehr viel passiver angelegt sein als im Film. Bei uns sollte Antje ein Fels in der Brandung sein, sie sollte um die Liebe kämpfen, erschöpft und wütend, aber bis zum bitteren Ende optimistisch. Wir mussten uns von vielen schönen Dingen, die im Roman stehen, trennen, wir mussten einiges dazu erfinden, neu strukturieren, aber ganz wichtig war uns immer, dass sich Annette Pehnt am Ende in diesem Film wiederfindet. Und das ist uns zum Glück auch gelungen.
Frage: Die Vernichtung einer Lebensperspektive lässt auch den Zuschauer ratlos zurück. Welche Hinweise geben Sie dem Publikum auf die Frage, wie einem solchen Teufelskreis zu entkommen wäre?
Volker A. Zahn: Wir sind Geschichtenerzähler und keine Ratgeber-Autoren. Unsere Aufgabe beschränkt sich darauf, zu zeigen, wie Menschen in bestimmten (Krisen)Situationen reagieren, und was sie damit auslösen. Und was ist schon „richtig“ oder falsch“? Was die einen für Sturheit und Beratungsresistenz halten, ist für andere Rückgrat und Gradlinigkeit.
Eva Zahn: Menschen in Krisen-Situationen verhalten sich eben in der Regel nicht „richtig“, und unter rein dramaturgischen Gesichtspunkten ist das auch gut so!
„Selten wurde ein so ätzendes Thema so gut fürs Fernsehen umgesetzt. Anschauen!“ Nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ fand anlässlich der TV-Premiere des Fernsehfilms „Mobbing“ (auf ARTE) lobende Worte für das Drama von Eva Zahn und Volker A. Zahn. „‘Mobbing‘ überzeugt als subtiles Horrorstück, ein leises, aber verstörend explizites Psychodrama“, urteilt der „Spiegel“, und das „Hamburger Abendblatt“ resümmiert: „‘Mobbing‘ löst beim Zuschauer Betroffenheit und Mitleid gleichermaßen aus, ohne dass effektvoll die Tränendrüse gedrückt worden ist. Wann erreicht ein Fernsehspiel noch so eine Wirkung? Diese Romanverfilmung ist ein überaus gelungenes Beispiel dafür, dass auch in Deutschland schwierige Stoffe adäquat für das Fernsehen aufbereitet werden können.“ „Die Brillanz der Schauspieler, die Schärfe des Skripts und die prägnante Inszenierung sorgen für ein gnadenloses, herausragendes TV-Stück“, befindet „TV Spielfilm“, und der Filmkritiker Rainer Tittelbach schreibt auf seinem lesenwerten Portal „der fernsehfilm-beobachter“: „Was am Arbeitsplatz beginnt, endet im Fernsehfilm ‘Mobbing‘ in der Familie. Mobbing ist ein sozialer Zersetzungsvorgang. Ängste, Projektionen, Demütigungen lassen am Ende auch die Liebe sterben. Der fein akzentuiert inszenierte Film von Nicole Weegmann nach dem konzentrierten Buch von Eva & Volker A. Zahn ist auch ein höchst aufschlussreicher Film über die ‘Entliebung‘ eines Ehepaars. Susanne Wolff und Tobias Moretti gelingt ein furioses Doppel. Sie können sich hinter nichts verstecken: keinen anderen Figuren, keinen Genre-Ritualen, keinem Alltagsgeplänkel. Beziehungshorror zweier angeschlagener Seelen.“ (vollständige Kritik unter: http://www.tittelbach.tv/programm/fernsehfilm/artikel-2318.html). Ulrike Frenkel schreibt in der „Stuttgarter Zeitung“: „Annette Pehnt hat diesen Prozess der langsamen Zermürbung eines Menschen, diese bürgerliche Tragödie aus der Angestelltengesellschaft, die tief in eine Familie hineinwirkt, in ihrem Roman ‘Mobbing‘ beschrieben, lakonisch, vielschichtig, sprachmächtig. (…) Man durfte also durchaus fürchten, dass eine Verfilmung des Stoffes scheitern könnte, wie sollte man auch die ständig wechselnden Zeitebenen der Vorlage, die Innenperspektive der Erzählerin, die Zwischenräume zwischen Wirklichkeit und Wahn, die sich bei den Betroffenen auftun, ins Bild setzen? Aber sie ist gelungen, wofür vor der herausragenden Besetzung und der sensiblen Regie von Nicole Weegmann vor allem die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn verantwortlich sein dürften.“
Auch Barbara Sichtermann zieht im Berliner „Tagesspiegel“ ein ausgesprochen positives Fazit: „Einmal fällt der Satz: 'Unsere Arbeitswelt produziert Psychos am laufenden Fließband.‘ Genau darum geht es in diesem Film. Dass eine solche Botschaft unplakativ, im Rahmen des Schauplatzes Haus und Familie, der selten verlassen wird, sowie nach den Regeln des familienkompatiblen TV-Movies filmisch umgesetzt wird, ist eine ungewöhnliche Leistung.“
Das von Eva Zahn und Volker A. Zahn geschriebene Knastdrama „Schurkenstück“ ist für den „Fiction Rocky“ beim BANFF World Media Festival in Kanada nominiert. Das alljährlich in den Rocky Mountains stattfindende Festival ist einer der prestigeträchtigsten Wettbewerbe des internationalen Fernsehmarkts und würdigt nach Veranstalterangaben „die innovativsten, aufregendsten und herausragenden“ TV-Produktionen des vergangenen Jahres. Vom 12. bis 15 Juni konkurriert „Schurkenstück“ (Regie: Torsten C. Fischer) in der Drama Categorie mit fünf weiteren Movies, darunter den beiden HBO-Produktionen „You don’t know Jack“ und „Temple Grandin“.
Der Film, zuletzt auch für den Fipa D'OR Grand Prize beim Festival International de Programmes Audiovisuels nominiert, erzählt die Geschichte eines waghalsigen Projekts: Sechs jugendliche Strafgefangene sollen zusammen mit einer renommierten Theater-Regisseurin Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ zur Aufführung bringen. Das Aufeinandertreffen von Hochkultur und Gefängnis-Alltag birgt große Risiken und kleine Chancen, die Regisseurin und das Ensemble müssen sich gegen zahlreiche innere und äußere Widerstände durchsetzen, und für einen der Gefangenen entpuppt sich das Theaterstück als ein Spiel um Leben und Tod…
In der Produktion der Kölner greenskyfilms spielen u. a. Katharina Schüttler (Foto links), Franz Dinda, Sebastian Urzendowsky und Oliver Korittke.
Nach der Erstausstrahlung in der ARD schrieb der Berliner „Tagesspiegel“: „Mit „Schurkenstück“ beweist das Autorenpaar Eva und Volker A. Zahn einmal mehr, dass sich aus dem Aufprall unterschiedlicher Welten spannendes, relevantes und zeitgemäßes Fernsehen entwickeln lässt. (…) Ein nuancenreicher Film, der weniger ein Schurken- als ein Glanzstück des Fernsehens ist.“
Torsten Körner schrieb im Branchenmagazin „Funkkorrespondenz“: „Der Film „Schurkenstück“ zieht uns von der ersten Minute in seinen Bann, schürt Spannung, hält uns bei der Stange, lässt uns mitfühlen und mithoffen, er versetzt unserer wohlgehüteten Lebenswirklichkeit kleine Schläge, pufft uns, drängt uns, das Eigene, den Kokon aus Alltag, Beruf, Geld und Normalo-Glück, nicht als das Selbstverständliche anzusehen. (…) Dabei kommt dem Regisseur das gut recherchierte und sorgsam aufgestellte Drehbuch von Eva und Volker A. Zahn zugute, ein Autorenpaar, das oft genug engagiert, einfühlsam und eigenwillig erzählt. (…) Wer will, kann diesen Film als kleine Schulung zum tieferen Sehen und Verstehen annehmen. Jeder hat einen zweiten, dritten, vierten Blick verdient, denn bei manchen kann man sich nie sicher sein, wer sie sind, wohin sie gehen und ob sie unsere Blickbemühungen verdienen. Der Film hat es jedenfalls verdient, mit allen wachen Sinnen gesehen zu werden. Sicherlich einer der Höhepunkte des Fernsehjahres 2010.“
Weitere Infos zum diesjährigen BANFF World Media Festival: http://www.banffmediafestival.com/
Das WDR 3-Kulturmagazin „Resonanzen“ hat mit Volker A. Zahn über den Film gesprochen. Das Interview ist abrufbar unter: http://www.wdr3.de/resonanzen/details/artikel/wdr-3-resonanzen-86.html