Eva Zahn & Volker A. Zahn
Drehbuchautoren



Aktuelles


Anlässlich der Ausstrahlung des TV-Dramas MOBBING (am 25. Januar 2013 um 20, 15 Uhr auf ARTE) haben die Drehbuchautoren Eva Zahn und Volker A. Zahn der ARD-Pressestelle ein kurzes Interview gegeben (Foto links: Eva und Volker A. Zahn nach der Verleihung des ver.di-Fernsehpreises 2010):

Frage: In keiner Szene zeigt der Film  konkrete Mobbingattacken. Es werden dafür eindringlich  die Auswirkungen auf den Betroffen und auf dessen Familie, besonders auf die Ehefrau, gezeigt. Welche Möglichkeiten eröffnen sich aus dieser sehr fokussierten Perspektive??

Eva Zahn: Die radikal subjektive Perspektive ist im Roman vorgegeben und hat für uns auch das Besondere dieser Erzählung ausgemacht. Spannend daran ist, dass eine Frau von Mobbing betroffen ist, ohne sich dagegen wehren zu können. Sie muss sich beim allem, was passiert, auf ihren Mann verlassen, sie will helfen, sie gibt Ratschläge, sie tröstet, sie mischt sich ein. Aber je weniger sie ausrichten kann, desto mehr stellt sie ihren Partner und dessen Verhalten infrage, langsam schleicht sich das Gift in ihre Beziehung, da ist plötzlich Misstrauen, Kritik, Wut… die Verhältnisse verschieben sich, am Ende stirbt die Liebe.

Volker A. Zahn: Wenn jemand im Job gemobbt, drangsaliert oder entwürdigt wird, gehen die Folgen weit über die Arbeitswelt hinaus, betroffen sind in den meisten Fälle auch die Familien, im Militär-Jargon würde man von „zivilen Opfern“ sprechen.

Frage: Das Schreiben eines Drehbuchs folgt ganz eigenen Gesetzen. Welche Kompromisse gegenüber dem Roman von Annette Pehnt haben Sie dabei eingehen müssen? Wie „authentisch" ist die Verfilmung?

Volker A. Zahn: Annette Pehnts Roman ist große Literatur. Viel innerer Monolog, die Zeitebenen kunstvoll verschoben, wenig Handlung, kurzum: Gift für jede Film-Dramaturgie. Für uns war dieses wunderbare Buch eine große Herausforderung, und wir haben erst gar nicht versucht, einen Kompromiss zu finden. Wir wollten den Geist und den Kern des Romans unbedingt erhalten, und wir haben nicht einen Moment daran gezweifelt, dass die radikal subjektive Erzählperspektive aufgeweicht werden darf.

Eva Zahn: Natürlich mussten wir die Figur der Antje aktiver gestalten, in der Literatur kann eine Hauptfigur sehr viel passiver angelegt sein als im Film. Bei uns sollte Antje ein Fels in der Brandung sein, sie sollte um die Liebe kämpfen, erschöpft und wütend, aber bis zum bitteren Ende optimistisch. Wir mussten uns von vielen schönen Dingen, die im Roman stehen, trennen, wir mussten einiges dazu erfinden, neu strukturieren, aber ganz wichtig war uns immer, dass sich Annette Pehnt am Ende in diesem Film wiederfindet. Und das ist uns zum Glück auch gelungen.

Frage: Die Vernichtung einer Lebensperspektive lässt auch den Zuschauer ratlos zurück. Welche Hinweise geben Sie dem Publikum auf die Frage, wie einem solchen Teufelskreis zu entkommen wäre?

Volker A. Zahn: Wir sind Geschichtenerzähler und keine Ratgeber-Autoren. Unsere Aufgabe beschränkt sich darauf, zu zeigen, wie Menschen in bestimmten (Krisen)Situationen reagieren, und was sie damit auslösen. Und was ist schon „richtig“ oder falsch“? Was die einen für Sturheit und Beratungsresistenz halten, ist für andere Rückgrat und Gradlinigkeit.

Eva Zahn: Menschen in Krisen-Situationen verhalten sich eben in der Regel nicht „richtig“, und unter rein dramaturgischen Gesichtspunkten ist das auch gut so! 

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„Selten wurde ein so ätzendes Thema so gut fürs Fernsehen umgesetzt. Anschauen!“ Nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ fand anlässlich der TV-Premiere des Fernsehfilms „Mobbing“ (auf ARTE) lobende Worte für das Drama von Eva Zahn und Volker A. Zahn. „‘Mobbing‘ überzeugt als subtiles Horrorstück, ein leises, aber verstörend explizites Psychodrama“, urteilt der „Spiegel“, und das „Hamburger Abendblatt“ resümmiert: „‘Mobbing‘ löst beim Zuschauer Betroffenheit und Mitleid gleichermaßen aus, ohne dass effektvoll die Tränendrüse gedrückt worden ist. Wann erreicht ein Fernsehspiel noch so eine Wirkung? Diese Romanverfilmung ist ein überaus gelungenes Beispiel dafür, dass auch in Deutschland schwierige Stoffe adäquat für das Fernsehen aufbereitet werden können.“ „Die Brillanz der Schauspieler, die Schärfe des Skripts und die prägnante Inszenierung sorgen für ein gnadenloses, herausragendes TV-Stück“, befindet „TV Spielfilm“, und der Filmkritiker Rainer Tittelbach schreibt auf seinem lesenwerten Portal „der fernsehfilm-beobachter“: „Was am Arbeitsplatz beginnt, endet im Fernsehfilm ‘Mobbing‘ in der Familie. Mobbing ist ein sozialer Zersetzungsvorgang. Ängste, Projektionen, Demütigungen lassen am Ende auch die Liebe sterben. Der fein akzentuiert inszenierte Film von Nicole Weegmann nach dem konzentrierten Buch von Eva &  Volker A. Zahn ist auch ein höchst aufschlussreicher Film über die ‘Entliebung‘ eines Ehepaars. Susanne Wolff und Tobias Moretti gelingt ein furioses Doppel. Sie können sich hinter nichts verstecken: keinen anderen Figuren, keinen Genre-Ritualen, keinem Alltagsgeplänkel. Beziehungshorror zweier angeschlagener Seelen.“ (vollständige Kritik unter: http://www.tittelbach.tv/programm/fernsehfilm/artikel-2318.html). Ulrike Frenkel schreibt in der „Stuttgarter Zeitung“: „Annette Pehnt hat diesen Prozess der langsamen Zermürbung eines Menschen, diese bürgerliche Tragödie aus der Angestelltengesellschaft, die tief in eine Familie hineinwirkt, in ihrem Roman ‘Mobbing‘ beschrieben, lakonisch, vielschichtig, sprachmächtig. (…) Man durfte also durchaus fürchten, dass eine Verfilmung des Stoffes scheitern könnte, wie sollte man auch die ständig wechselnden Zeitebenen der Vorlage, die Innenperspektive der Erzählerin, die Zwischenräume zwischen Wirklichkeit und Wahn, die sich bei den Betroffenen auftun, ins Bild setzen? Aber sie ist gelungen, wofür vor der herausragenden Besetzung und der sensiblen Regie von Nicole Weegmann vor allem die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn verantwortlich sein dürften.“

Auch Barbara Sichtermann zieht im Berliner „Tagesspiegel“ ein ausgesprochen positives Fazit: „Einmal fällt der Satz: 'Unsere Arbeitswelt produziert Psychos am laufenden Fließband.‘ Genau darum geht es in diesem Film. Dass eine solche Botschaft unplakativ, im Rahmen des Schauplatzes Haus und Familie, der selten verlassen wird, sowie nach den Regeln des familienkompatiblen TV-Movies filmisch umgesetzt wird, ist eine ungewöhnliche Leistung.“

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Anlässlich der TV-Premiere ihres neuen Stuttgart-TATORTs („Scherbenhaufen“ am 4. März um 20, 15 Uhr in der ARD, Infos zum Film unterhab) gaben Eva und Volker A. Zahn dem Südwestrundfunk ein gemeinsames Interview:
SWR: Seit mehr als zwanzig Jahren schreiben Sie gemeinsam erfolgreich Drehbücher. Gibt es ein Rezept für die Arbeit eines „einzigen Autors auf zwei Körper verteilt“, wie Ihre Arbeit einmal beschrieben wurde?
Volker A. Zahn: Eine mitunter beängstigende Übereinstimmung beim Blick auf Menschen und Situationen, das Wissen, dass der Partner meistens Recht hat, auch wenn er Kritik übt, maximale Humor-Schnittmengen und identische Feindbild- Erkennung. Kurzum: Wir leben in einem geradezu verkitscht harmonischen Binnenverhältnis, um uns dann mit viel kreativer und konstruktiver Streitlust und der bisweilen notwendigen Härte in den Kampf um unsere Werke zu stürzen.
SWR: Bei Ihrer Zusammenarbeit, kann es da beim Schreiben eines Drehbuchs zu unterschiedlichen Auffassungen kommen?
Eva Zahn: Absolut. Dann diskutieren wir so lange über unsere Stoffe und Figuren, bis beide zufrieden sind. Das kann im Endeffekt auch bedeuten, dass wir eine Stoff-Idee komplett begraben, weil einer von uns keinen Zugang findet oder schlichtweg keine Lust auf ein bestimmtes Thema oder Sujet hat.
SWR: „Scherbenhaufen“ ist Ihr zweiter Stuttgarter „Tatort“ und eine weitere Zusammenarbeit mit Johannes Grieser. Hat dies die Arbeit erleichtert?
Eva Zahn: Nein, jedes neue Projekt ist auch eine Wundertüte. Für uns als Autoren heißt es jedes Mal wieder: Ihr könnt euch niemals sicher sein!
SWR: Wie schwer ist es, die Charaktere Lannert und Bootz weiterzuentwickeln?
Volker A. Zahn: Unser sehr geschätzter Kollege Holger Karsten Schmidt hat mit Lannert und Bootz zwei starke Charaktere für die „Tatort“-Reihe konzipiert. Denkbar ist für dieses Duo ziemlich viel, aber wohin die Reise geht, entscheiden letztendlich Redaktion und Produktion.
SWR: Von der Kritik wird immer wieder der regionale Bezug von „Tatort“-Krimis verlangt. Gibt es Besonderheiten, die den Stuttgarter „Tatort“ ausmachen?
Eva Zahn: Natürlich lassen wir uns von einer Stadt und ihrer Atmosphäre und Eigenarten inspirieren, trotzdem ist für uns der Regional-Bezug eines Krimis kein vorrangiges Qualitätsmerkmal. Eine Geschichte muss für uns in erster Linie ehrlich erzählt sein – und dazu gehört auch, dass sie an den Ort passt, an dem sie spielt.
SWR: Sie gelten als Drehbuch-Spezialisten für Krimis (u. a. „Tatort“, „Das Duo“, „Ein starkes Team“, „Bella Block“, „Soko Leipzig“), haben den Grimme-Preis und weitere Auszeichnungen erhalten. Gibt es ein Thema, welches Sie unbedingt noch realisieren möchten?
Volker A. Zahn: Die spannenden Themen liegen auf der Straße, jeden Tag spielen sich vor unseren Augen Dramen und Tragödien ab, mitunter auch Dramen, die großes Komödien-Potential haben, darunter auch alles, was rund um Christian Wulff gelaufen ist und noch immer läuft. Über einen Mangel an Anregungen können wir uns nicht beschweren.
Eva Zahn: Es gibt aber vor allem ein Herzensprojekt, das wir in Kürze auf jeden Fall noch realisieren wollen: „Mileva“, die bewegende und tragische Lebensgeschichte der Ehefrau von Albert Einstein.
SWR: Was ist für Sie das Faszinierende am Fernsehklassiker „Tatort“?
Volker A. Zahn: Dass das Fernsehen am Sonntagabend das große Publikum anlockt, das sich in dieser Dimension nur selten noch vor einem Format versammelt. Dass der „Tatort“ wichtige Themen setzt oder aufgreift, zu Diskussionen anregt, für Gesprächsstoff sorgt und auch zum kollektiven Aufregen taugt.
Eva Zahn: Und dass sich unter dem „Tatort“-Label fast alles machen lässt, vom klassischen Krimi bis hin zum experimentellen Kunststück.
SWR: Welche Bücher lesen Sie privat am liebsten?
Eva Zahn: Unter den Krimi-Autoren favorisieren wir zurzeit Wolf Haas und Roger Smith. Ansonsten alles, was toll geschrieben, konzipiert, entwickelt ist: Jonathan Franzen, Philip Roth, Martin Suter und viele andere.
Volker A. Zahn: Der frühe T.C. Boyle, Jonathan Littells „Die Wohlgesinnten“, Eckhard Henscheid und Robert Gernhardt, Sven Regeners Lehmann-Abenteuer. Eine Vielzahl von anderen Autoren, die weitere Aufzählung könnte noch ein paar Stunden dauern…
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In einem aktuellen Special beschäftigt sich das lesenwerte Branchenportal „casting-network“ mit dem Thema „Einschaltquote“. Zahlreiche TV-Verantwortliche und Kreative wie Regisseur Hans Weingartner, Produzent Uli Aselmann oder die BR-Redakteurin Cornelia Ackers kommen zu Wort. „Casting network“ sprach auch mit Eva Zahn und Volker A. Zahn. Unterhalb Auszüge aus dem Interview – die vollständige Fassung ist erhältlich unter www.casting-network.de

CN: Entstehen Eure Ideen frei und unabhängig oder gibt es spezifische – sender- oder quotenbedingte – Vorgaben?
Eva Zahn: Wir haben zuallererst unsere eigenen Vorgaben, wir schreiben nur über Themen und Menschen, die uns wirklich interessieren, wir halten die Ohren und Augen offen und suchen nach Konstellationen, Ausgangssituationen oder Figuren, die Drama-Potenzial haben. Das können historische Persönlichkeiten sein wie Mileva Maric, die Ehefrau von Albert Einstein, oder sogar Freunde und Bekannte, denen etwas Besonderes widerfahren ist. Und wir greifen natürlich viele Themen auf, die buchstäblich auf der Straße liegen. Das Amok-Drama „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ ist so ein klassischer Fall, da hat uns das teilweise hysterische Klima der Angst nach den Amokläufen von Erfurt und Emsdetten inspiriert. Oder „Schurkenstück“: Da haben uns die Zustände und Skandale in den NRW-Knästen aufhorchen lassen sowie die Art und Weise, wie Medien das Bild von jungen Strafgefangenen prägen und verzerren.
Volker A. Zahn: Im Bereich „Serien und Reihen“ gelten für uns die gleichen eigenen Vorgaben, aber hier bewegen wir uns natürlich immer im Korsett eines Formats. Da gibt es dann gerne ein paar eiserne Regeln, die aber auch dazu da sind, dass man sie bricht (lacht). Muss im „Tatort“ die Leiche wirklich in den ersten Minuten auftauchen? Muss ein Krimi zwingend drei Blindmotive anbieten und chronologisch erzählt werden? Dürfen die Helden nicht allzu sehr „beschädigt“ werden? Natürlich juckt es uns immer wieder in den Fingern, Dinge auszuprobieren, Sehgewohnheiten aufzubrechen, aus dem Schema auszubrechen. 
CN: Habt Ihr schon während Eures Arbeitsprozesses die Quote im Hinterkopf?
E. Z.: Nein, niemals (lacht). Wir glauben immer an die Kraft unserer Geschichten, daran, dass man die Zuschauer mit auf die Reise nehmen kann, dass sie mit unseren Figuren leiden, mitfiebern, mitzittern und wir glauben auch, dass dem Zuschauer mehr zuzumuten ist, als manche Verantwortliche unterstellen. Serien und Reihen laufen natürlich nur, solange sie erfolgreich sind und bisweilen folgen Redakteure und Produzenten der eisernen Regel: Was einmal erfolgreich war ist auch in Zukunft erfolgreich, keine Experimente! Aber das interessiert uns letztendlich nicht bei der Bucharbeit. Wenn wir die Zuschauer nicht langweilen, werden sie auch dann dranbleiben, wenn ihre Sehgewohnheiten mal über den Haufen geworfen werden.
V. Z.: Es ist schon erstaunlich, mit welcher Sicherheit manche Redakteure bei Stoff-Entwicklungen den Satz sagen: Das will der Zuschauer nicht sehen! Das ist so ein Geheimwissen, von dem wir Autoren nicht wissen, wo es herkommt, aber weil mit diesem Argument oft Innovatives oder Besonderes verhindert wird, bekommt die Quote nach solchen Diskussionen auch für uns eine nicht unerhebliche Bedeutung: Ist die Quote gut, nachdem du dich gegen die Bedenken des Senders durchgesetzt hast, macht das zukünftige Diskussionen leichter, ist die Quote mau, hast du bei der nächsten Auseinandersetzung schlechte Karten.
Werdet Ihr nach jeder Ausstrahlung mit der Quote konfrontiert?
V. Z.: In unterschiedlicher Ausprägung. Es kommt vor allem darauf an, mit wem wir es zu tun haben und wie mutig die entsprechenden Redaktionen ihr Programm gestalten. Der WDR hat ja auch deshalb ein so hohes Fernsehspiel-Renommee, weil dort bewusst auch Stoffe entwickelt werden, von denen man vorher weiß, dass sie keine Brüller-Quoten einfahren. Nehmen Sie unser „Schurkenstück“: Junge Strafgefangene sollen mit einer Theater-Regisseurin Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ auf die Bühne bringen – das klingt nicht nach Zuschauerzahlen im Fünf- bis Sechsmillionen-Bereich. Wer als Programmmacher solche Stoffe auf den Bildschirm bringt, denkt nicht zuerst an die Quote, sondern an den Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders. Das ist für uns eine sehr vorbildliche Haltung.
E. Z.: Natürlich möchtest du als Autor, dass möglichst viele Menschen deinen Film sehen, aber wie gesagt: Darauf haben wir keinen Einfluss, das ist oft höhere Gewalt. In unserer Macht liegt allerdings, ob die Geschichte fesselnd ist und deshalb interessiert mich nicht so sehr die Einschalt-, sondern die Verlaufsquote: Bleiben die Zuschauer, die den Film von Beginn an einschalten, bis zum Ende dran? Oder laufen sie dir in Scharen davon? Gibt es Einbrüche und wo finden sie statt? Anhand dieser Kurven kann man durchaus nachvollziehen, ob die Geschichte einen Durchhänger hat oder was die Zuschauer tatsächlich überfordert.
Kennt Ihr die Bezeichnungen „Nachmittag-“ oder „Abend-Gesicht“ für Schauspieler?
V. Z.: Das Denken in Schubladen ist eine sehr verbreitete Unsitte in unserer Branche, das betrifft Regisseure, Schauspieler und Autoren gleichermaßen. Wer einmal in einer bestimmten Schublade steckt, hat es schwer, da wieder raus zu kommen.
E. Z.: Auch da ist die Angst vor bösen Überraschungen zumeist die treibende Kraft: Bloß keine Risiken eingehen, wer in bestimmten Rollen oder Formaten funktioniert, bekommt nur selten die Chance, sich auf eine andere Art oder andernorts zu beweisen.
Habt ihr selbst Schubladen-Erfahrung?
E.Z.: Ja, wir waren jahrelang in der Krimi-Schublade! Wir haben für erfolgreiche Serien und Reihen geschrieben, aber wenn wir Einzelstücke jenseits des Krimifachs angeboten haben, blieben die Türen zumeist verschlossen. Das war ein harter Kampf und erst als uns der WDR-Fernsehspieldirektor Gebhard Henke die Chance gegeben hat, über das Leben von Oswald Kolle zu schreiben, war der Bann gebrochen. Dann kam der Grimme-Preis für „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ und seither sind wir Fernsehspiel-Autoren. Raus aus der einen Schublade, rein in die nächste.
Ist das gegenwärtige System zur Ermittlung von Quoten für euch nachvollziehbar?
E. Z.: Ausgewählte Menschen sitzen verkabelt vorm Fernseher... ob das eine seriöse Methode ist, kann ich nicht beurteilen und es interessiert mich eigentlich auch nicht. Wichtig ist die Frage, wie wir mit den Daten umgehen – und wohin es führt, wenn sich eine ganze Branche von diesem Zahlenwerk in Geiselhaft nehmen lässt.
V. Z.: Es gibt ja auch Bereiche, die von den verkabelten Menschen nicht erfasst werden. Nach der Ausstrahlung unserer letzten beiden Filmen „Schurkenstück“ und „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ hatten wir eine Flut von Anfragen: Lehrer und Sozialarbeiter wollten die Filme unbedingt vor jungem Publikum zeigen. Bis heute läuft „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ in kleinen Kinos oder Jugendzentren, die DVD ist kurz nach der Ausstrahlung erschienen und verkauft sich wahrscheinlich auch nicht schlecht. Das sind Verwertungen, die von der Quote nicht erfasst werden. Aber abgesehen davon: Ob ein Film relevant oder nachhaltig ist, lässt sich mit einem Blick auf die Marktanteile sowieso nicht feststellen.
Gibt es im fiktionalen Bereich etwas, das Ihr vermisst?
V.Z.: Mutige Serien, die mehr bieten als die Lösung von Kriminalfällen, Serien, die etwas über uns und unsere Gesellschaft erzählen, die auch mal weh tun, sich was trauen, Grenzen überschreiten – und denen man nicht sofort den Saft abdreht, wenn die Quoten nicht stimmen. Die Serie ist die Königsdisziplin des Erzählens, es ist schade, dass sich diese Erkenntnis hier zu Lande erst langsam durchsetzt. Ein Blick über den großen Teich zeigt doch, dass Serien, die intelligent und komplex erzählen, großen Kinoproduktionen den Rang ablaufen.
E.Z.: Von wenigen Ausnahmefällen abgesehen, ist die Serie in Deutschland nach wie vor so eine Art Schmuddelkind, ein Format für die Masse. Nichts, womit sich ein Fernsehmacher schmücken möchte. Ganz oben in der Bedeutungshierarchie stehen die Fernsehfilme, dann kommen die ambitionierten Reihen und nur knapp über den Daily Soaps und Telenovelas rangieren die Serienformate. Wir kennen viele Kollegen, die großartige Serienideen haben, Projekte jenseits von Krimi-, Familien- oder Arztgeschichten, aber weil es den Sendern an Mut fehlt, auch mal jenseits der gewohnten Pfade zu marschieren, bleibt viel Kreativität und Energie auf der Strecke. Warum Geld und Energie in ein Projekt investieren, das sowieso keine Chance hat realisiert zu werden? Fernsehmacher zeigen gern nach Amerika und bejubeln – zu Recht – die Juwelen der US-Serienkultur. Gern garniert mit dem Zusatz, dass es bei uns keine Autoren gibt, die auf diesem Niveau erzählen können. Das ist natürlich Unsinn und eine ziemliche Frechheit.
V.Z.: Hinzu kommt, dass die wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche und Problemfelder im seriellen Erzählen nicht vorkommen. Die Arbeitswelt? Da gibt’s „Stromberg“ und dann leider nichts mehr. Migration und Multikulti? Nix außer „Türkisch für Anfänger“. Wir diskutieren eifrig über Bildung, über PISA, über die Zukunft unserer Kinder – aber eine öffentlich-rechtliche Schulserie ist weit und breit nicht zu sehen. Das ist eigentlich skandalös.
E.Z.: Wir haben vor einiger Zeit zusammen mit dem UFA-Produzenten Jörg Winger eine Serie über eine Gruppe Anonymer Alkoholiker entwickelt, sechs komplett unterschiedliche Menschen, die sich regelmäßig treffen und versuchen, von der Sucht loszukommen und deren Lebenswege und Schicksale sich überschneiden. Wenn du mit so einer Idee aufmarschierst, wird zumeist gar nicht mehr über die Inhalte geredet – der Ansatz, trockene Alkoholiker zu „Helden“ einer Dramaserie zu machen, reicht aus, um sie unbesehen wegzuschießen.
V.Z.: Also entwickeln wir, wenn uns jemand fragt, lieber noch eine Krimiserie... unsere ganzen Villen und Yachten wollen ja schließlich finanziert werden (lacht). Auf die Frage, warum sich ausgerechnet ARD und ZDF so wenig trauen, bekommen wir zumeist als Antwort: Je weniger Zuschauer wir erreichen, desto größer ist die Gefahr, dass wir als öffentlich-rechtliche Sender unsere Legitimation verlieren. Da sind wir dann wieder bei der Quote: Solange sie von Programmmachern zum Fetisch erklärt wird, ist sie Gift für unsere Fernsehkultur.
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Das von Eva Zahn und Volker A. Zahn geschriebene Knastdrama „Schurkenstück“ ist für den „Fiction Rocky“ beim BANFF World Media Festival in Kanada nominiert. Das alljährlich in den Rocky Mountains stattfindende Festival ist einer der prestigeträchtigsten Wettbewerbe des internationalen Fernsehmarkts und würdigt nach Veranstalterangaben „die innovativsten, aufregendsten und herausragenden“ TV-Produktionen des vergangenen Jahres. Vom 12. bis 15 Juni konkurriert „Schurkenstück“ (Regie: Torsten C. Fischer) in  der Drama Categorie mit fünf weiteren Movies, darunter den beiden HBO-Produktionen „You don’t know Jack“ und „Temple Grandin“.
Der Film, zuletzt auch für den Fipa D'OR Grand Prize beim Festival International de Programmes Audiovisuels nominiert, erzählt die Geschichte eines waghalsigen Projekts: Sechs jugendliche Strafgefangene sollen zusammen mit einer renommierten Theater-Regisseurin Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ zur Aufführung bringen. Das Aufeinandertreffen von Hochkultur und Gefängnis-Alltag birgt große Risiken und kleine Chancen, die Regisseurin und das Ensemble müssen sich gegen zahlreiche innere und äußere Widerstände durchsetzen, und für einen der Gefangenen entpuppt sich das Theaterstück als ein Spiel um Leben und Tod…
In der Produktion der Kölner greenskyfilms spielen u. a. Katharina Schüttler (Foto links), Franz Dinda, Sebastian Urzendowsky und Oliver Korittke.
Nach der Erstausstrahlung in der ARD schrieb der Berliner „Tagesspiegel“: „Mit „Schurkenstück“ beweist das Autorenpaar Eva und Volker A. Zahn einmal mehr, dass sich aus dem Aufprall unterschiedlicher Welten spannendes, relevantes und zeitgemäßes Fernsehen entwickeln lässt. (…) Ein nuancenreicher Film, der weniger ein Schurken- als ein Glanzstück des Fernsehens ist.“
Torsten Körner schrieb im Branchenmagazin „Funkkorrespondenz“: „Der Film „Schurkenstück“ zieht uns von der ersten Minute in seinen Bann, schürt Spannung, hält uns bei der Stange, lässt uns mitfühlen und mithoffen, er versetzt unserer wohlgehüteten Lebenswirklichkeit kleine Schläge, pufft uns, drängt uns, das Eigene, den Kokon aus Alltag, Beruf, Geld und Normalo-Glück, nicht als das Selbstverständliche anzusehen. (…) Dabei kommt dem Regisseur das gut recherchierte und sorgsam aufgestellte Drehbuch von Eva und Volker A. Zahn zugute, ein Autorenpaar, das oft genug engagiert, einfühlsam und eigenwillig erzählt. (…) Wer will, kann diesen Film als kleine Schulung zum tieferen Sehen und Verstehen annehmen. Jeder hat einen zweiten, dritten, vierten Blick verdient, denn bei manchen kann man sich nie sicher sein, wer sie sind, wohin sie gehen und ob sie unsere Blickbemühungen verdienen. Der Film hat es jedenfalls verdient, mit allen wachen Sinnen gesehen zu werden. Sicherlich einer der Höhepunkte des Fernsehjahres 2010.“
Weitere Infos zum diesjährigen BANFF World Media Festival: http://www.banffmediafestival.com/
Das WDR 3-Kulturmagazin „Resonanzen“ hat mit Volker A. Zahn über den Film gesprochen. Das Interview ist abrufbar unter: http://www.wdr3.de/resonanzen/details/artikel/wdr-3-resonanzen-86.html

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