Eva Zahn & Volker A. Zahn
Drehbuchautoren



Aktuelles


Das Erste wird sich im kommenden Jahr in einem Fernsehfilm mit der Duisburger Loveparade-Katastrophe befassen. Die Polyphon-Produktion (Valentin Holch) ist bereits abgedreht und setzt sieben Jahre nach dem Unglück an, bei dem am 24. Juli 2010 21 Menschen ihr Leben ließen.

Das Buch zu „Das Leben danach“ stammt von Eva Zahn und Volker A. Zahn, inszeniert hat den Stoff der Grimme-Preisträger die Kölner Regisseurin Nicole Weegmann. Nach den mehrfach preisgekrönten Produktionen „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ und „Mobbing“ ist „Das Leben danach“ das dritte gemeinsame Projekt der Zahns mit Nicole Weegmann.

Zum Inhalt: Die Welt stand ihr offen. Antonia Schneider war 18 Jahre alt, stand kurz vor dem Abitur und wollte einfach nur feiern, als sie in den „Tunnel“ der Loveparade geriet. Sieben Jahre später ist sie immer noch traumatisiert und unfähig, ein normales Leben zu führen. Ihr Vater Thomas, ihre Stiefmutter Kati und ihre beste Freundin Betty sind – bei allem Bemühen – langsam mit ihrer Geduld am Ende und mit Antonias Verhalten überfordert. Doch dann lernt Antonia den Taxifahrer Sascha Reinhardt kennen, der behauptet, ebenfalls Betroffener der Katastrophe zu sein und Verständnis und Gefühle für sie aufzubringen scheint. Aber Antonia enttarnt ihn schnell als Lügner. Sascha wird daraufhin immer mehr zum Opfer von Antonias destruktiv tobender Energie, die auch vor seinem Sohn Jasper nicht Halt macht.

Für die Rolle der traumatisierten Betroffenen Antonia konnte der European Shooting Star 2016 Jella Haase (Foto) gewonnen werden, für Sascha Carlo Ljubek („Das Programm“, „Die Stadt und die Macht“). Als Antonias Vater Thomas und ihre Stiefmutter Kati stehen Martin Brambach und Christina Große  vor der Kamera. Jeremias Meyer („Die Vampirschwestern“) wirkt als Saschas Sohn Jasper mit, Charlotte Bohning („Lösegeld“) als Jaspers Mutter Maria, Anna Drexler („Harter Brocken“) als Antonias beste Freundin Betty.

„Das Leben danach“ ist eine Auftragsproduktion der Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft mbH für den Westdeutschen Rundfunk. Produzenten: Christoph Bicker und Valentin Holch (win win Film-, Fernseh- und Mediaproduktion GmbH). Die redaktionelle Verantwortung liegt bei Lucia Keuter (WDR). Gedreht wurde im Juni und Juli in Köln und Duisburg. Der Sendetermin für den Mittwochsfilm im Ersten liegt voraussichtlich im Sommer 2017.
 

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Über vier Millionen Zuschauer lockte der von Eva Zahn und Volker A. Zahn geschriebene ARD-Mittwochsfilm „Unter der Haut“ Anfang Dezember vor die Fernseher. Insbesondere in der Gruppe der 14- bis 59-jährigen fand das von Friedemann Fromm inszenierte Bluterdrama großen Zuspruch. „Unter der Haut“ war damit einer der erfolgreichsten Mittwochsfilme dieses Jahres!
Viel Zuspruch gab es auch von der TV-Kritik. „Fernsehfilm-Beobachter“ Rainer Tittelbach bezeichnet die NDR-Produktion als ein „wahrhaft vielschichtiges TV-Drama, das nicht nur thematisch und spannungsdramaturgisch, sondern auch filmästhetisch hohen Ansprüchen genügt.“
Der Feuilletonchef der „Welt“ befindet: „‘Unter der Haut‘ ist der unskandalöseste Skandalfilm, den man sich denken kann. Selten sind Aufarbeitung und Anklage eines eigentlich ungeheuerlichen Vorgangs so subtil, so subkutan auserzählt, nicht gezeigt worden. (…) Es geht um den Verlust von Sicherheiten. Den Verlust von Vertrauen. Das wird niemals gefühlig. Niemals laut. Muss es auch nicht. Wütend wird man sowieso.“
Für „TV Spielfilm“ haben „die Grimme-Preisträger Eva Zahn und Volker A. Zahn ein starkes Buch über den hochkomplexen Bluterskandal geschrieben. Regisseur Friedemann Fromm inszenierte die Tragödie spannend wie einen Krimi. Ein klasse Beitrag zum Welt-Aids-Tag.“ 
Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ lobt, dass „der Film in der Ausstattung eher dezent bleibt und auf größere Ausflüge ins Schauerreich der Schulterpolster und Pastellfarben verzichtet. (…) Stattdessen protokolliert er sehr präzise, wie die Aids-Hysterie in dieser Zeit um sich griff und zu beängstigenden Entladungen von Homophobie und zur Ausgrenzung Erkrankter führte.“

Geradezu euphorisch der Fernsehkritiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Was für ein Film! Die Aufarbeitung des Bluterskandals mit dem Titel „Unter der Haut“ hat alles, was man sich von einem Fernsehfilm wünschen kann. Wenn das deutsche Fernsehen historische Themen verfilmt, geht das meistens in die Hose. ‘Unter der Haut‘ ist eine der wenigen Ausnahmen von der Regel und sollte für Autoren und Regisseure als Anschauungsmaterial dienen. So geht Fiktionalisierung von Zeitgeschichte! Friedrich Mücke spielt den Protagonisten überragend, jeder Satz, jede Geste sitzt. Das Drehbuch ist exzellent, das Leid der Betroffenen genauso wie die Profitgier der Pharma-Industrie werden schmerzhaft deutlich.“
„Durchgehend hohe Glaubwürdigkeit“ bescheinigt der Kritiker der „Frankfurter Neuen Presse“ dem Bluterdrama: Es gehe um „das Zerbrechen von Geborgenheit, den Verlust von Sicherheit, dabei bleibt der Film bis zum Ende ungeheuer spannend. Ein herausragender Beitrag zum Welt-AIDS-Tag.“

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Am 2. Dezember, einen Tag nach dem Welt-Aids-Tag, zeigt das Erste um 20, 15 Uhr den von Eva Zahn und Volker A. Zahn geschriebenen Fernsehfilm “Unter der Haut“ (mehr Infos zum Film unten auf dieser Seite). Dem bei der Produktion federführenden NDR gaben die Autoren ein Interview zur Entstehungsgeschichte des Dramas und zu ihrer Arbeit am Buch.

Frage: Wie sind Sie auf den Blutskandal gestoßen?


Volker A. Zahn: Wir sind darauf gestoßen worden. Die Produzentin Kathrin Geyh von Amalia Film kam mit dem Thema auf uns zu und fragte, ob wir uns vorstellen könnten, den Skandal fiktional aufzuarbeiten. Wir haben sofort zugesagt. In dem Stoff steckt ein enormes erzählerisches Potenzial.


Eva Zahn: Er ist darüberhinaus auch sehr aktuell, als eine Art Blaupause für Skandale und Missstände. Ob es um Krankenhauskeime geht, an denen jährlich bis zu 15.000 Menschen sterben, oder um den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung... fast immer laufen derlei Skandale nach einer ähnlichen Dramaturgie ab: Leugnung, Lobby-Arbeit mit schweren Geschützen, Beschwichtigungen und Totschlag-Argumente, spätes Einlenken ...und am Ende werden die überfälligen Maßnahmen erst dann getroffen, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist.


Frage: Ist der Blutskandal vollständig dokumentiert? Haben Sie bei Ihren Recherchen etwas Neues herausgefunden?


Volker A. Zahn: 1994 hat ein Untersuchungsausschuss des Bundestages einen fast 700-seitigen Abschlussbericht mit allen Details vorgelegt. Darin wird konstatiert, dass rund sechzig Prozent der durch kontaminierte Blutprodukte ausgelösten HIV-Infektionen hätten verhindert werden können. Versagt haben Anfang der Achtziger praktisch alle: Die Pharmaindustrie, die Maßnahmen zur Hitzeinaktivierung von HI-Viren viel zu lange herausgezögert hat, das Bundesgesundheitsamt, Politiker, Krankenkassen, das Rote Kreuz und nicht zuletzt führende Hämophilie-Ärzte. Die Fakten liegen also auf dem Tisch. Interessanter und teilweise sehr überraschend waren für uns die persönlichen Gespräche mit betroffenen Blutern. Wir hatten mit einer unglaublichen Wut gerechnet, vor allem auf die Pharmaindustrie. Aber weil die Faktor-8-Medikamente für Bluter Fluch und Segen zugleich waren, ist die Haltung mancher Infizierter durchaus ambivalent, da gibt es eine seltsame Mischung aus Zorn und Dankbarkeit. Man darf nicht vergessen: Vor der Einführung von Blutgerinnungs-Präparaten betrug die Lebenserwartung eines Bluters gerade mal 16 Jahre, mit den neuen Medikamenten konnten die Betroffenen plötzlich ein ganz normales Leben führen, sogar Sport treiben, und die Lebenserwartung stieg auf das Niveau gesunder Menschen. Anders als zum Beispiel im Contergan- Skandal hatten die Betroffenen der pharmazeutischen Industrie also sehr viel zu verdanken.


Eva Zahn: Stellen Sie sich einen Verdurstenden in der Wüste vor, dem sie mit einem Schluck Wasser das Leben retten. Doch das Wasser ist mit einem todbringenden Virus vergiftet. In diesem Dilemma steckten die Bluter. Die Geschichte ist unvorstellbar tragisch.


Volker A. Zahn: Es gab Funktionäre von Bluterverbänden, die sagten damals: Wir sind bereit, das Risiko von Aids zu tragen, wenn man uns die Faktor-8-Medikamente nicht wegnimmt. Das war für sie eine Frage der Abwägung. Man wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht, wie gefährlich Aids wirklich ist, und es gab auch noch die Hoffnung, bald irgendein Gegenmittel zu finden.


Frage: Erinnern Sie sich noch an die Tage, als Aids nach Deutschland kam?


Eva Zahn: Ja, zum einen waren die Achtziger unsere Jugendjahre. Zum anderen hat die aufkommende Krankheit im Land wahnsinnig viel verändert. Auf die sexuelle Aufklärung der Sechziger folgte die sexuelle Revolution der Siebziger – und plötzlich gab es Aids! Es war ein Riesenschock. Diffuse Ängste gingen um, Erkrankte wurden stigmatisiert und ausgegrenzt. In den Medien wurde Aids als „Lustseuche“ dargestellt, die auf die sexuellen Praktiken von Homosexuellen zurückzuführen ist. Konservative Politiker hetzten gegen Schwule, Peter Gauweiler forderte „Zwangstests“ für Prostituierte, Drogenabhängige und angehende Beamte, und im „Spiegel“ wurde ein gewisser Horst Seehofer zitiert, der vorschlug, Aidskranke „in speziellen Heimen“ zu „konzentrieren“. Eine Zeit der Hysterie also, und mittendrin aidskranke Bluter, die damit rechnen mussten, für drogensüchtig oder notorisch promisk gehalten zu werden. Damals gab es noch Autoaufkleber mit dem Slogan: „Ich bin Bluter.“ Die verschwanden nach und nach aus dem Straßenbild, weil die Besitzer Angst davor hatten, dass man ihr Auto demoliert.


Volker A. Zahn: Es ging uns aber nicht primär darum, den Zeitgeist oder das Lebensgefühl der Achtziger abzubilden. Wir wollten auf dramatische Weise die – durchaus zeitlosen – Mechanismen illustrieren, die nicht nur die Politik, sondern auch die Menschen dazu bringen, viel zu lange die Augen vor dem zu verschließen, was eigentlich nicht sein darf.


Frage: Gibt es für Ihre Hauptfigur Martin Siedler ein reales Vorbild?


Volker A. Zahn: Martin Siedler ist eine reine Kunstfigur. Aber natürlich sind viele Erfahrungen von Betroffenen, mit denen wir gesprochen haben, in diese Figur eingeflossen. In Martin verdichtet sich die tragische Dimension unserer Geschichte, und an seinem Beispiel illustrieren wir auch, wie man bittere Wahrheiten selbst dann noch verdrängen kann, wenn die Einschläge schon sehr nahe kommen. Martin redet sich viel zu lange die Situation schön, er ignoriert die mahnenden Stimmen, und er lässt sich bereitwillig von seinem Chef einseifen – bis irgendwann nicht mehr zu leugnen ist, dass er sich und anderen etwas vorgemacht hat. Er hat sich als Bluter durch sein eigenes hochgelobtes Medikament mit HIV infiziert. Das bedeutet Anfang der Achtziger sein sicheres Todesurteil.


Eva Zahn: Wir nehmen die Zuschauer mit Martin an die Hand und führen ihn durch eine sehr komplexe Thematik. Martin Siedler ist in jeder Szene präsent. Er zieht uns in die Geschichte hinein, indem er uns spüren lässt, wie extrem er leidet, wie zerrissen er ist und wie hart er kämpfen muss. Wir brauchten diese starke Hauptfigur, um den Skandal so spannend und emotional wie möglich zu erzählen. „Unter der Haut“ sollte ja kein Themenfilm werden, der sich an den Fakten abarbeitet, sondern ein packendes, aufwühlendes Drama.


Frage: Ist er ein Held, der für die Rechte der Bluter kämpft?


Eva Zahn: Anfangs ist Martin Siedler ein junger Mann, der seine Kindheit, die von Krankheit und Tod geprägt war, unbedingt hinter sich lassen will, er will „normal“ sein, er will nicht auf seine Bluter-Krankheit reduziert werden, er will das Leben genießen, und er ist dabei durchaus auch ein Egoist. Aber dann, als persönlich Betroffener, lernt er, Verantwortung zu übernehmen, und da mausert er sich tatsächlich zum Helden, er agiert ohne Hass auf die Täter, ihm geht es nur noch darum, seine Familie und andere Bluter zu schützen – gegen alle Widerstände und auch gegen alle Versuche, ihn persönlich zu demontieren.


Volker A. Zahn: Im klassischen Skandalfilm kämpfen smarte Anwälte oder bildschöne Umweltaktivistinnen heroisch und ohne Eigennutz für das Gute. Die Opfer laufen meistens nur als bemitleidenswerte Belegexemplare mit. Diesen Ansatz finden wir eher langweilig, und wir haben deshalb nach einer Dramaturgie gesucht, die es uns erlaubt, direkt in den Abgrund zu blicken.


Frage: Wie teilen Sie beim Schreiben die Arbeit untereinander auf?


Volker A. Zahn: So wie es sich gerade ergibt. Erst hecken wir gemeinsam die Geschichte aus, die Figuren, die Plots... Dann schreibt einer das Exposé, der andere liest es, und die Diskussion beginnt. Danach schreibt einer von uns das Bildertreatment, der andere schaut es sich an, und die Diskussion geht weiter.


Eva Zahn: So gehen wir Schritt für Schritt vor. Der eine schreibt, der andere geht drüber, mal mit feinem Werkzeug, mal mit der Kettensäge...

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Das neue Fernsehfilm-Projekt von Eva Zahn und Volker A. Zahn erzählt eine Geschichte aus dem Jahr 2030 und spielt vor dem Hintergrund einer düsteren Zukunftsvision: Das Europa, das wir kennen, ist in Chaos, Armut und Gewalt versunken. Nach der dritten großen Finanzmarktkrise ist der Kontinent ökonomisch und politisch zusammengebrochen. Staatliche und zivilgesellschaftliche Strukturen haben sich weitgehend aufgelöst. Deutschland wird von einem autoritären Rechtspopulisten regiert, der mit Willkür und brutalen Einschüchterungsmaßnahmen das vollständige Auseinanderfallen der ehemaligen Bundesrepublik verhindern will. Überall im Land kommt es zu gewalttätigen Demonstrationen, Aufständen und Attentaten. Immer wieder gibt es Versorgungskrisen, viele Menschen hungern, Millionen leben in Armut und ohne Dach über dem Kopf. Auch in den anderen europäischen Staaten ist die Situation ähnlich dramatisch. Frankreich wird von einer brutalen Rechtsdiktatur regiert, Spanien und Italien sind auseinandergefallen, in vielen anderen Ländern herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände, Hungersnöte und Verelendung. Millionen Europäer sind deshalb auf der Flucht. Ziel der verzweifelten Menschen ist die „Southafrican Union“ ( SU). Die Länder der SU  erleben einen grandiosen Wirtschaftsboom, es herrscht politische und ökonomische Stabilität. Aber die Union kann und will nicht alle Flüchtlinge aus dem Norden aufnehmen. Mit Hilfe einer strengen Asylgesetzgebung und dem Einsatz von Grenzschützern versuchen sich die südafrikanischen Staaten gegen den Flüchtlingsstrom aus Europa abzuschotten…

Das Social-Fiction-Drama (Arbeitstitel: "Auf der Flucht") wird als Eventfilm von Kirsten Hager (Hager Moss Film) für das Erste (WDR/Degeto) produziert. Andreas Senn inszeniert das Buch von Eva Zahn und Volker A. Zahn, die Dreharbeiten werden in Südafrika stattfinden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest.

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Rund 9, 5 Millionen Zuschauer verfolgten am letzten März-Wochenende den neuen TATORT von Eva Zahn und Volker A. Zahn. Viel Zuspruch gab es nicht nur vom Publikum, auch die meisten Kritiker waren voll des Lobes. Die tragische Geschichte der Halbbrüder Timo und Leon, die in einem Kieler Brennpunkt-Viertel aufwachsen, hat die Artikelschreiber diverser Zeitungen und Internet-Portale indes auch zu mitunter bizarren und gewagten Story-Interpretationen verleitet. Der Kritiker von „Spiegel online“ etwa zeigt sich ganz berauscht von der Figur des coolen Kiez-Bullen Thorsten „Rauschi“ Rausch (Tom Wlaschiha) und kürt den TV-Krimi in seinem Beitrag kurzerhand zum „Prekariats-Western“. Eine große Idee also, aber: „Dieses mythisch leicht erhöhte Spiel mit den soziologischen Zuschreibungen geht auf, solange Kommissar Borowski und Kollegin Sarah Brandt nicht auf der Bildfläche erscheinen. Da kippt der Prekariats-Western dann doch ins Problemfilmchen.“ Problematisch indes: Borowski und Brandt tauchen bereits nach zwei Minuten auf, und von „Rauschi“ ist bis dahin nichts zu sehen. Es mit der Wahrheit genau nehmen, ist auch für die Kollegen vom Boulevard eher mühselig. „Bild“ und „Express„ gelingt das Kunststück, in vier Zeilen Text drei grobe (aber leicht vermeidbare) Fehler unterzubringen: So verschätzt man sich beim Alter der Autoren um lässige 9 bzw. 15 Jahre (immerhin: zugunsten der Filmemacher), und der reale Fall aus der Oberpfalz, auf dem das Drehbuch angeblich basiert („Express“: „Die Horror-Wahrheit hinter dem ‘Tatort‘“) war den Autoren bis zur Veröffentlichung der Schlagzeilen-Blätter nicht bekannt; vielmehr hatten sie im Presseheft auf einen Fall in Berlin verwiesen, der bei der Ideen-Findung eine Rolle gespielt hatte. Erfindungsreichtum beschlich viele Kolleginnen und Kollegen auch auf der Assoziations-Ebene: Ein Schreiber der „Süddeutschen“ wähnt sich in „einem Sozialdrama, wie man es aus frühen Geschichten zum Beispiel mit Schimanski kennt“, der österreichische „Standard“ hält Kiel-Gaarden für eine „Sozialbautensiedlung, für die die ‘Projects‘ aus ‘The Wire‘ Pate gestanden haben könnten“, derweil Rauschi aussehe, „als wäre er aus Dennis Hoppers L.A.-Drama ‘Colors‘ entlehnt.“ Auch das Fernseh-Magazin „Prisma“ glaubt „viele, viele Anleihen bei amerikanischen Filmen“ entdeckt zu haben und führt diesbezüglich ausgerechnet den „Pferdeflüsterer“ an, während Ponkie in der Münchner „Abendzeitung“ auf Buñuels Bettler-Film „Los Olvidados“ querverweist, und ein Schreiber des „Neuen Deutschland“ in seiner TV-Kritik sinnfrei über „hochgepimpte Macherbuden der amerikanischen Ökonomie (Banken, Berater, Filmproduzenten)“ schwadroniert und zu dem Schluss kommt, „der Blaustich der Bilder“ sei „der Versuch, dem ästhetischen Non-Chic aus grauen Häusern und vermüllten Wohnungen Style abzugewinnen.“
Deutlich weniger irrlichternd resümiert der Kritiker des „Stern“: „So trist ist die Welt, in die ‘Borowski und die Kinder von Gaarden‘ die Zuschauer einführt. Der Film geht dabei sehr behutsam vor. Er beschönigt nichts. Verrät seine Charaktere aber auch zu keiner Zeit, selbst wenn es sich dabei um miese, sadistische Jungs handelt. Gleichzeitig schafft es die Folge, die Düsternis immer wieder mit kontrastierendem Humor ein wenig aufzulockern. Ein sehenswerter ‘Tatort“. Am Ende nimmt der Hund Reißaus, auf dem Weg in ein neues, besseres Zuhause. Zumindest er könnte eine bessere Zukunft finden. Zurück bleiben die Menschen in Gaarden. Sie müssen weiterleben, an diesem Ort ohne Hoffnung und Liebe.“
Der bewährte TV-Kritiker Tilmann P. Gangloff findet, dass „das Drehbuchpaar Eva und Volker A. Zahn einen Krimi mit starken Figuren geschrieben hat“ („evangelisch.de“), die „Frankfurter Neue Presse bescheinigt dem Film „durch seinen ungeschminkten Realismus eine bemerkenswerte Spannung“, die „Neue Zürcher Zeitung“ freut sich über „Dialoge von berückender Lakonie“, die WAZ hat ein „glaubwürdig geschriebenes und authentisch inszeniertes Sozialdrama“ gesehen, die „Welt“ jubelt über einen “Krimi der Extraklasse“, und für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ steht fest: „‘Borowski und die Kinder‘ zeigt einmal mehr, dass der Kieler Tatort zu den besten zählt.“
Die „Berliner Morgenpost“ konstatiert: „Es ist natürlich nicht ohne eine gewisse Ironie, dass nun mit dem Stadtteilpolizisten Torsten Rausch jemand auftaucht, den Kommissarin Sarah Brandt von früher kennt. Denn sie wird von Sibel Kekilli gespielt, während Torsten Rausch von Thomas Wlaschiha verkörpert wird, und wer die international erfolgreiche Fantasysaga ‘Game of Thrones‘ kennt, der weiß, dass die beiden dafür gemeinsam vor der Kamera gestanden haben. Das ist aber nicht mehr als eine kleine cineastische Verbeugung am Rande, dem Buch von Eva Zahn und Volker A. Zahn geht es um etwas sehr Ernstes. Es geht um zerstörte Kindheiten und die Folgen. Es geht um die vielleicht naive, aber letztlich alles entscheidende Frage, warum man zu Kindern unbedingt nett sein muss. Und was passieren kann, wenn nicht. “ Kluge Worte auch vom Kritiker der „Potsdamer Neuesten Nachrichten“: „Klar, der Tatort ist negativ - aber nicht auf eine strapazierende Art wie der Berliner Tatort der letzten Woche. Ein bisschen erhobenen Zeigefinger kann das Drehbuch von Eva Zahn und Volker A. Zahn durchaus verkraften, ohne aufdringlich zu wirken. Wie oft kommt es denn auch vor, dass sich mit einem so schwerwiegenden Thema vergriffen wird - ermordete Kinderficker sind eben plakativ, und als Sympathieträger sowieso ungeeignet. Eine Vorverurteilung findet dennoch nicht statt: Die Perspektive liegt auf den Kindern, deren Moral sich allzu sehr unterscheidet von denen, die vor den Fernsehsesseln richten. Was nützt sie auch, die Moral. Selbst Rauschi the legend hat längst aufgegeben, außerdem deutet irgendwann alles darauf hin, dass Steinhaus selbst das Opfer dieser perspektivlosen Kinder wurde, da spielen auch verfängliche Videoaufnahmen in eindeutig zweideutigen Situationen keine Rolle mehr. Vielleicht ist diese Darstellung des stigmatisierten Opfers nicht gewagt, sondern einfach nur konsequent. Überhaupt scheint sich der Kieler Tatort ein wenig mehr rausnehmen zu dürfen. Und das ist gut so. Ein großartiger Film. Unbedingt mehr davon, bitte!“
Kurzum: „Dieser Tatort vermeidet jede Sozialromantik, zeigt aber, wie die Dinge sind.“ („Frankfurter Rundschau“)

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